Sagen um Schloss Hirschstein
Von der Gründung des Schlosses
Zwei Stunden von Riesa liegt das uralte Schloss Hirschstein auf einem hohen, freistehenden Felsen, dicht an der Elbe. In der Nähe dieses Felsens hielt einst in der Mitte des 11. Jahrhunderts ein Markgraf von Meißen eine großen Wildhetze ab. Schon viele Jahre hindurch verfolgten die markgräflichen Jäger ohne jeden Erfolg einen kapitalen weißen Hirsch, der wunderschön gewesen sein soll.
Alle Anstrengungen, ihn zu erlegen, waren umsonst. Endlich erblickten sie ihn wieder – da stürzte sich der Hirsch von einem, den Augen der Jäger bisher entgangenen Felsen, in die Elbe herab, und beinah hätte die Begierde, den Hirsch zu fangen, mehrere der vornehmsten Waldgesellen mit in den Abgrund gerissen. Der Hirsch durchschwamm die Elbe und verschwand am anderen Ufer im dunklen Wald. Zum Andenken erbaute man hier ein Jagdhaus, der Hirsch-Stein genannt, das anfänglich nur dazu diente, den Markgrafen durch die reizende Aussicht in das Elbtal zu ergötzen – später wurde es ein ritterliches Schloss.
Die weiße Frau auf dem Schlosse zu Hirschstein
Vom Hirschsteiner Schloss geht die Sage, dass dort in manchen Nächten eine weiße Frau spukhaft durch die Zimmer huscht. Einem Wärter war einst im Schloss selbst ein Schlafzimmer eingerichtet worden. Dieser hat mehrere Male beobachtet, wie Nachts mit Schlage zwölf eine weißbekleidete Frauengestalt zur Zimmertür hereingekommen ist, ohne dass die Tür geöffnet war. Die Gestalt hatte sich einige Male im Kreis herumgedreht und ist, ebenso lautlos wie sie gekommen war, wieder verschwunden. Ein anderes mal wird er im Schlafe dadurch munter, dass er fühlt, wie jemand die Bettdecke anhebt und diese auf den Fußboden wirft. Wie er sich herumdreht, sieht er gerade noch eine weiße Frau durch die Tür hinaushuschen.
Einem Hirschsteiner Herrschaftsjäger soll einst einmal folgendes passiert sein:
Für den nächsten Tag war eine große Jagd im Hirschsteiner Revier angesetzt und das Schloss ist voller Jagdgäste. Der Jagdmeister sitzt mit einem jungen Grafen, den er morgen führen soll, in dessen Zimmer auf dem Schloss und beide sind in ihre Jagdunterhaltung vertieft. Es vergeht dabei Stunde um Stunde, Mitternacht naht schon, ehe der Jäger zum Schlafengehen mahnt. Während man sich verabschiedet, schlägt die Turmuhr die zwölfte Sunde – und siehe, zum Entsetzen der beiden geht beim letzten Glockenschlag geräuschlos die Zimmertür auf, eine schneeweiße Frauengestalt geht an den beiden vorüber und verschwindet durch die andere Zimmertür ebenso lautlos wie sie gekommen war. Der junge Graf war ganz gebrochen vor Schreck und der Jägermeister musste die Nacht mit in seinem Schlafzimmer verbringen.
Vergiftete Kirschen
Auszug aus der Zeitschrift „Saxonia“, herausgegeben vom Museum für sächsische Vaterlandskunde vom Juni 1835 Nr. 4 Ursprung des Sprichwortes: Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen. Von der ursprünglichen Burg, die in Urkunden auch Herstehn, Hirschin oder Herstein genannt wird, sind wohl nur noch die Grundmauern übrig, da der weitere Ausbau ein viel neueres Aussehen hat.
Im Jahre 1262 war sie nach urkundlichen Nachrichten im Besitz des Ritters Weigand von Histein, gelangte aber später an die Ritter von Carlowitz und war im Jahre 1291 wahrscheinlich ein Eigentum des Bischofs Witigol von Meißen. Dieser arglistige Mann war vom Markgrafen von Meißen, der den Beinamen Tutta hatte, in einer mit ihm früher geführten Fehde besiegt worden und hatte sich zwar scheinbar mit demselben wieder ausgesöhnt, die Ausführung seiner meuchlerischen Rache aber einer günstigen Gelegenheit vorbehalten.
Als nun Friedrich im Sommer des erwähnten Jahres in der Nähe jenes Schlosses gejagt hatte und bei dem Bischof, um sich zu erfrischen, argloser Weise eingekehrt war, wurden ihm von diesem Kirschen vorgesetzt, auf deren Genuss er in heftige Zuckungen verfiel und bald darauf verstarb.
Der Bischof hatte jenes Obst vergiften lassen und obwohl sein Verbrechen gleich nach Vollbringung desselben entdeckt worden war, so scheint es doch zu jener Zeit ganz unbestraft geblieben zu sein. Spätere Besitzer des Schlosses und Gutes waren Herren von Haugwitz, von Ressel und Pistorius, von welchem letzteren es der in den Adelsstand erhobene Christoph Felgenhauer kaufte.
Seit dem Jahr 1722 der gräflichen Familie von Loß. Das Schloss ist noch bewohnbar und hat eine wohlerhaltene Kapelle, in der noch jetzt zuweilen Gottesdienst gehalten wird. Ergänzung: Davon soll das Sprichwort oder die Redensart: „Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen“ herrühren. Erwähnt in „Geflügelte Worte“ erschienen im VEB Bibliographischem Institut Leipzig, 1981, S. 167.
Die Amme von Hirschstein
Früher soll sich in der Außenseite des Schlosses Hirschstein nach der Elbe zu eine in die Mauer gehauene Figur, die ein Kind auf dem Arme hielt befunden haben. Diese Figur sollte veranschaulichen, dass vor langen Zeiten hier ein Wunder geschehen sei…
Zu einem Kindstaufschmaus auf dem Schlosse hatte sich die damalige Amme des neugeborenen Hirschsteiner Herrschaftssprößlings unvorsichtigerweise so dem Genusse des Weines hingegeben, dass sie nachher als sie den Gästen den Pflegling gezeigt hatte, diesen anstatt in seine Wiege zum offenen Fenster des Schlosses hinauslegte. Der Säugling stützte herab, blieb aber in den Zweigen eines am Felsen wurzelnden Strauches hängen, wodurch ihm sein junges Leben erhalten blieb. Als die Ehegatten des Abends nach ihrem Kinde sehen wollten, fanden sie die trunkene Amme am offenen Fenster sitzend, von dem Kleinen fehlte jede Spur. Voller Schrecken suchten sie überall, bis der Schlossherr nach langem vergeblichen Suchen, seinen Schmerz zum Fenster hinausschrie und siehe, da erblickte er sein Kind unversehrt im Gestrüpp schlafend. Das Unglücksfenster hat man zugemauert und noch heute fällt dem Wanderer das vermauerte Fenster am Schlosse nach der Elbseite zu auf.